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Die Johanniskirche
Wie vor über acht Jahrhunderten gabeln sich am Johannisplatz noch heute zwei wichtige Verkehrswege. Zur Linken zweigt die Straße nach Dresden, zur Rechten nach Grimma ab. Dazwischen stand - unmittelbar westlich des Grassimuseums - die Johanniskirche. Manch älterer Leipziger wird sich noch gern aber wehmütig an sie erinnern.
Seit dem 13. Jahrhundert war das Bild der Grimmaischen Vorstadt - dem heutigen Johannisplatz - von Hospital, Kapelle und Friedhof zu St. Johannes geprägt. Nach dem Ende des Mittelalters entwickelte sich der Johannisfriedhof zur Hauptbegräbnisstätte für alle Toten der Stadt Leipzig. Die Johanniskirche wurde zu einer Begräbniskapelle. Von nun an besorgte Chordienst und Orgelspiel der Thomaskantor Johann Sebastian Bach mit seinen Thomanern. Im Jahre 1748 wurde dem bescheidenen Kirchenschiff ein stattlicher Barockturm vorgesetzt. Nachdem um 1850 die Mauern an der Johanniskirche fielen, wurde der Johannisfriedhof von der Kirche getrennt und in „Johannisplatz“ umbenannt.
Die größte Veränderung erlebte die Johanniskirche dadurch, dass sie sich zur Gemeindekirche entwickelte. Da sie als solche zu klein war, stand ein Neubau bevor. Am 22. Juli 1894 fand der letzte Gottesdienst in der alten Johanniskirche statt. Es war ein ergreifender Augenblick als die ganze Gemeinde zum letzten Gebet niederkniete. Schon am nächsten Tag begann der Abbruch des Gotteshauses.
Die neue Johanniskirche wurde nach dreijähriger Bauzeit fertig gestellt und 1897 eingeweiht. Der barocke Turm blieb als Wahrzeichen der Ostvorstadt erhalten und war bestimmend für den Baustil der Kirche. Im Jahr 1900 wurden die Gebeine Christian Fürchtegott Gellerts in die Kirche überführt und mit den 1894 aufgefundenen Gebeinen Johann Sebastian Bachs in einer Gruft beigesetzt. Diese Bach-Gellert-Gruft mit weißen Kalksteinsarkophagen gehörte damals zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Leipzigs.
Im Dezember 1943 wurde das Kirchenschiff der Johanniskirche Opfer eines verheerenden Bombenangriffs. Nur der Kirchturm blieb mit leichten Schäden erhalten. Die Zerstörung des Gotteshauses hatte die Frage aufgeworfen, was nun mit der Ruhestätte Bachs und Gellerts werden sollte. Gellert zog zweimal um. Nach dem Krieg in den Nordflügel der Universitätskirche und wegen ihrer Sprengung 1968 auf den Südfriedhof. Die Gebeine Bachs wurden 1949 wenig zeremoniell zur Thomaskirche überführt.
Ein Jahr später brachte ein Wettbewerb über die Neugestaltung des Johannisplatzes mit sieben preisgekrönten Arbeiten den Nachweis, dass sich das kunstgeschichtlich wertvolle Bauwerk der Johanniskirche in alter Form wieder herstellen und gut in die künftige Bebauung eingliedern lasse. Auch kam der Vorschlag auf, eine Bach-Gedenkstätte zu errichten, in die Turm des Gotteshauses einbezogen werden sollte. Aus all diesen Gründen beschloss 1953 auch der Rat des Institutes für Denkmalpflege den Turm zu erhalten. Der „hohle Zahn“, wie er im Volksmund der Leipziger hieß, wurde plombiert, um seinen Verfall zu stoppen. Aber die Entwicklung verlief nicht wie in den 50er Jahren vorgesehen.
Die Leipziger Stadtverordneten beschlossen 1963 den Abriss der Turmruine. So wurde dem Johannisplatz seine letzte kulturhistorische Besonderheit genommen. Über die Sprengung selbst lassen sich in den Zeitungen dieser Zeit kaum Hinweise finden.